Im ersten Teil dieser Artikelserie haben wir untersucht, wie Landwirte die Inputeffizienz durch Strategien wie Saatgutbehandlung, Blattanwendungen und kohlenstoffbasierte Inputs erhöhen können. „Mit weniger mehr erreichen” ist ein beliebtes Schlagwort in vielen Wirtschaftszweigen, besonders in der Landwirtschaft. Es liegt im Interesse eines jeden Landwirts, die Inputs zu optimieren - das bringt ihm einen finanziellen Vorteil, wirkt sich gleichzeitig aber auch positiv auf die Umweltverträglichkeit aus. Die Besorgnis über negative Effekte und unbeabsichtigte Auswirkungen von landwirtschaftlichen Inputs, vor allem bei Pflanzenschutzmitteln1, wächst stetig. Als Folge entsteht eine breite Palette an biologischen und botanischen Alternativen – typischerweise mikrobiellen oder pflanzlichen Ursprungs – und verbreitet sich immer mehr auf dem Markt. Die Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer Stoffe für die Vermarktung sind immens und 2019 lag der Marktanteil der Biostimulatoren weltweit bei geschätzt über $2 Milliarden2 im Jahr. Jährlich3 werden ca. 3000 Tonnen Biopflanzenschutzmittel hergestellt. Viele dieser natürlichen Stoffe können herbizide, fungizide oder insektizide Eigenschaften haben und in den kommenden Jahrzehnten werden zweifellos immer mehr davon auf den Markt kommen. Diese Inputs können eine wichtige Rolle dabei spielen, synthetische Inputs zu ersetzen, und sie können den Landwirten bei der Umstellung hin zu mehr Bodengesundheit helfen.
Auf dem Bacillus thuringiensis basierende Bioinsektizide sind mit die gebräuchlichsten synthetischen Alternativen und haben einen Marktanteil von über 50 %, gefolgt von anderen Mikroorganismen und aktiven Stoffen pflanzlichen Ursprungs3. Besonders Mikroorganismen sind eine üppige Quelle an insektiziden Stoffen. Strahlenpilze sind ein sehr facettenreicher Bakterienstamm, der bekanntermaßen eine außergewöhnlich große Anzahl an metabolischen Stoffen produziert, die als Antibiotika für den Menschen und auch für eine Vielzahl von Stoffen genutzt werden, die Schadinsekten4 anlocken und töten können. Auch entomopathogene Pilze sind eine gut erforschte Pilzgruppe, die bei ihrem Insektenwirt Krankheiten und Absterben hervorrufen können. Es gibt 750 bekannte Arten und sie sind in vielen Ökosystem auf der ganzen Welt5 zu finden. Obwohl viele kommerzielle Produkte erhältlich sind, die auf Mikroorganismen basieren, kommen diese im Allgemeinen in den meisten Böden bereits vor. Daher tragen Strategien zur generellen Verbesserung der Bodengesundheit dazu bei, die Präsenz und Aktivität dieser Organismen zu optimieren. In Situationen mit hohem Insektendruck kann jedoch die gezielte Anwendung und Nutzung dieser aufgabenspezifischen Organismen gerechtfertigt6,7 sein.
In der Pflanzenwelt gibt es viele Wirkstoffe, die insektizide, abweisende oder ernährungsblockierende Eigenschaften haben und die in pflanzlichem Gewebe festgestellt und extrahiert werden. Gemahlenes oder ganzes Pflanzengewebe und Öle oder wässrige Extrakte aus Knoblauch, Niembaum, Chilischoten, Gewürznelken, Ringelblumen, Rosmarin, Brennnesseln, Orangen, Tabak und Thymian haben sich als wirkungsvoll gegen viele Schadinsekten8–10 erwiesen. Viele dieser Pflanzen warten noch auf ihren Durchbruch, was die allgemeine Einführung angeht - oft liegt es am aufwendigen Herstellungsprozess und den hohen Produktionskosten. Allerdings wird sich das wahrscheinlich in Zukunft ändern: durch strengere Pflanzenschutzbestimmungen und weil viele Pflanzenschutzmittel vom Markt genommen werden.
Pflanzen besitzen bekanntlich eine Vielzahl an bioziden Stoffen, die Bakterien, Pilzen, Nematoden und Viren schaden können. Im Allgemeinen ist die schädliche Wirkung dieser Stoffe für Mensch und Umwelt geringer. Ich möchte allerdings betonen, dass die Tatsache, dass etwas natürlich vorkommt, nicht zwangsläufig bedeutet, dass es einigermaßen harmlos ist. Aber alles in allem sind aus der Natur abgeleitete Stoffe üblicherweise weniger toxisch und verbleiben nicht so lange in der Umwelt6,7. Da sie eher eine vielfältige Mischung an Wirkstoffen als einen einzigen Wirkstoff beinhalten, erzeugen Pflanzenextrakte eine deutlich langsamere Resistenzentwicklung im Schädlingsbestand6. Es gibt viele Stoffe, die Pflanzen zu ihrem eigenen Schutz herstellen, wie zum Beispiel ätherische Öle, Phenolstoffe und Flavonoide. Diese Stoffe können für die Anwendung im Feld6 aus dem Pflanzengewebe extrahiert werden.
Zusätzlich gibt es unzählige nützliche Mikroorganismen, die durch Konkurrenzausschluss oder durch die Produktion feindlicher antibiotischer Stoffwechselprodukte11 krankheitserregende Organismen bekämpfen können. Mikrobiell unterschiedliche Impfstoffe, wie Mist, Kompost, Kompostextrakte und andere organische Ergänzungen, haben gegenüber vielen Krankheitserregern7,12 durchwegs unterdrückende Eigenschaften gezeigt. Es steht eine ständig steigende Auswahl an kommerziellen Impfstoffen mit aufgabenspezifischen Unterarten zur Verfügung – Mikroorganismen, die bekanntermaßen Krankheitserreger bei Pflanzen bekämpfen, sind unter anderem Trichoderma spp13, Mycorrhizapilze14, Bacillus spp, und Pseudomonas spp7,11. Ebenso erwähnenswert ist die Rolle der Pflanzenernährung bei der Bekämpfung von Krankheiten. Wir denken dabei wahrscheinlich automatisch an bestimmte Nährstoffe wie Kupfer oder Schwefel, die einen direkten bioziden Effekt auf Krankheitserreger haben. Es gibt jedoch eindeutige Beweise, die zeigen, dass eine Optimierung des Nährstoffstatus der Pflanze dazu beitragen kann, die Immunität der Pflanze gegen eindringende Erreger15–17 zu erhöhen. Nährstoffe, die hervorragend und spezifisch gegen Krankheitserreger eingesetzt werden können, sind zum Beispiel Silizium, Kalzium, Bor, Mangan, Kupfer, Schwefel und Kalium. Aber dennoch kann eine wie auch immer geartete Begrenzung eines wesentlichen Pflanzennährstoffs die Pflanzenphysiologie und -entwicklung und daher auch die Immunität der Pflanze beeinträchtigen.
Es gibt viele interessante Aktivitäten zum Thema alternative Herbizide, aber von allen Bioalternativen scheinen Bioherbizide die wenigsten Fortschritte gemacht zu haben. Ähnlich wie durch den weitverbreiteten Gebrauch von Glyphosat Neuerungen im Bereich der synthetischen Herbizide verzögert wurden, hat dies vielleicht auch die Fortschritte im Bereich der natürlichen Herbizide verlangsamt. Da allerdings resistente Unkräuter ein immer größeres Problem werden, wird die Notwendigkeit für Alternativen immer dringlicher. Gewisse bioaktive Stoffe weisen herbizide Eigenschaften auf – übliche Inhaltsstoffe wie Essigsäure, Mineralöle, Kiefernöl, Samenschrot oder allelophatische Stoffe aus Pflanzenextrakten oder Stoppelrückständen18. Auch biologische Wirkstoffe wie Pilze oder Bakterien wurden genutzt, um Krankheiten und Absterben bei ausgewählten Unkrautarten19 herbeizuführen. Wie viele biologische Produkte hat auch diese Art von biologischer “Kriegsführung” einen eher gemischten Erfolg, wenn es vom Treibhaus hinaus aufs Feld geht. Auch in diesem Bereich zeichnen sich Pflanzenextrakte und ätherische Öle als interessante Kandidaten ab - Inhaltsstoffe, die man eigentlich eher im Küchenschrank vermuten würde als in einem Chemikalienschrank. Ätherische Öle aus Gewürznelken, Zimt, Thymian, Rosmarin, Eukalyptus, Minze und Zitrusgewächsen besitzen unterschiedliche Grade an herbiziden Eigenschaften18,20,21. Obwohl die Ergebnisse dieser Studien gemischt sind und nicht immer ein vollständiges Absterben erreicht wird, könnten diese Bioherbizide doch einen Platz als temporärer K.-o.-Schlag oder in Partner- oder Zwischenfruchtsystemen haben, wo eine zeitweise Unterdrückung eines der Pflanzenpartner vorteilhaft sein kann.
Wenn man etwas aus der Diskussion um Bioalternativen mitnehmen kann, dann folgendes: Es gibt ein großes Potential für eine Vielzahl von natürlich vorkommenden Stoffen und mikrobiellen Substanzen, die erheblich dazu beitragen können, die Verluste aufgrund von Unkräutern, Krankheiten und Schadinsekten zu reduzieren. Aber da sie organischen Ursprungs sind, können Wirkstoffe in natürlichen Produkten unterschiedliche Konzentrationen aufweisen und dadurch auch verschiedene Wirkungen auf die Zielschädlinge haben. Diese Schwankungen sind zweifellos die entscheidende Hürde, die die Einführung behindert, die aber zur rechten Zeit verbessert und überwunden werden kann und wird. Wie so oft ist mehr Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig, um die praktische Anwendung solcher Technologien zu optimieren. Allerdings ist diese Hürde ein weit weniger großes Problem, wenn die Bioalternativen als Teil eines integrierten Schädlingsmanagementansatzes genutzt werden und nicht als einziges Kontrollmittel – wie wir das üblicherweise mit synthetischen Pflanzenschutzmittel gemacht haben. Sie liefern vielleicht keine 100 %ige Kontrolle zu jeder Zeit, aber wenn man einen multifunktionalen Ansatz wirksam einsetzt und in die Bewirtschaftungsstrategie vielfältige Werkzeuge integriert, erhöht das Zusammenwirken der einzelnen Maßnahmen den Gesamterfolg eines ökologischen Schädlingsbekämpfungsprogramms. Bioalternativen sind grundsätzlich effektiver, wenn sie mit anderen Werkzeugen, wie Zwischenfruchtanbau, Gründüngung, Fruchtfolge und einer Bekämpfung mittels geeigneter Anbaumethoden, kombiniert werden. Wenn alle diese Werkzeuge in das Produktionssystem integriert werden, trägt das dazu bei, die Verwendung von synthetischen Chemikalien zu reduzieren und ein wirtschaftlich akzeptables Level bei der Schädlingsbekämpfung zu erreichen.
Nach der Optimierung von Inputeffizienzen und dem Ausschöpfen des Ansatzes “weniger ist mehr” kann das Ersetzen synthetischer Pflanzenschutzmittel durch biologisch basierte Alternativen ein wichtiger nächster Schritt in Richtung Bodengesundheit sein. Es gibt noch viele Unbekannte und Wissenslücken zum Thema zuverlässige Schädlingsbekämpfung mit Bioalternativen, aber es gibt ein eindeutiges Potential dafür und die Neuerungen in diesem Bereich gehen in die richtige Richtung. Vor dem Hintergrund der Pflanzenschutzmittelresistenzen und der mehr und mehr drohenden Produktrücknahmen könnte eine großflächige Einführung dieser Alternativen schneller vonstattengehen, als wir denken. Diese Übergangs- und Ersatzphase kann dazu beitragen, den Weg für eine Neugestaltung der Bewirtschaftungssysteme innerhalb eines regenerativen und agrarökologischen Rahmens zu ebnen. Darauf werde ich im nächsten terraHORSCH Artikel näher eingehen. Davor werden wir uns online mit neuen Konzepten hinsichtlich der Beschaffenheit von organischer Bodensubstanz und dem mikrobiellen Weg zu einer Anreicherung mit organischer Bodensubstanz befassen.
Quellennachweis