Bedeutung von Sauerstoff für Boden und Pflanzen (Teil 2)

Erstellt von Josef Stangl, HORSCH Maschinen GmbH

Im ersten Teil zeigen wir, welche Rolle Sauer­stoff für Boden, Wurzeln und Pflanzen spielt, und beschreiben mögliche Ursachen für einen Sauer­stoff­mangel (=Hypoxie). Jetzt gilt es, die Auswirkungen auf verschiedene Mechanismen und letztendlich auf den Ertrag zu verstehen. 

Auswirkungen auf mikro­biologische Aktivität, Nähr­stoff­aufnahme und Pflanzen­wachstum

Bei Sauerstoff­mangel nimmt die biologische Aktivität im Boden stark ab. Grund dafür sind die strikt aerob nitrifi­zierenden Mikro­organismen (Nitrifizierer). Sie benötigen für ihre Aktivität zwingend den im Boden­wasser gelösten Sauer­stoff und nehmen deshalb bei O2 Mangel ab. Zudem wird in Abhängigkeit von pH-Wert und Temperatur des Bodens die Nitrifikation von Ammonium zu pflanzen­verfügbarem Nitrat gehemmt und es kann zur Ausgasung von NH3 kommen. 

Dem stehen denitrifi­zierenden Mikro­organismen gegenüber, die auch unter anaeroben Bedingungen (bei Sauer­stoff­mangel) wachsen. In wasser­gesättigten Böden mit geringem Gehalt an gelöstem Sauer­stoff und verlangsamter Diffusion kommt es daher zum Ablauf der Denitrifikation. Bei diesem Prozess wird u.a. der im Nitrat gebundene Stickstoff in molekularen Stick­stoff (N2) umgewandelt und ist somit für die meisten Lebewesen als Nährstoff nicht mehr nutzbar. 

Darüber hinaus liegen bei Sauer­stoff­mangel infolge hoher Wasser­sättigung die mobilen Nährstoffe verdünnt im Boden­wasser vor, so dass die Konzentration an Nährelementen rapide abnimmt. Die Pflanze muss also deutlich mehr Wasser aufnehmen, um die gleiche Menge an Nähr­stoffen zu erhalten, verdunstet aber in dieser Konstellation meist weniger Wasser, wodurch die „Pumpenleistung“ sinkt. 

Unter anaeroben (= sauerstoffarmen) Bedingungen können aber auch die Abbau- und Umwandlungs­prozesse von organischem Material zu Humus nicht ausreichend ablaufen, es entstehen dann Methan oder auch vermehrt Lachgase, die als Treibhausgase deutlich schädlicher sind als das CO2

Wird durch Sauerstoff­mangel der Elektronen­fluss verändert, liegen die essenziellen Pflanzen­nährstoffe in reduzierter (= durch Elektronen­aufnahme geänderter) Form vor:   

  • Schwer­metallionen gehen durch eine Reduktion in Lösung. 
  • Sulfat und Kohlendioxid reduzieren zu Sulfid und Methan und bilden dabei potenziell toxische Substanzen wie H2S.
  • Auch bei der Reduktion von organischer Masse entstehen kurzkettige organische Säuren, die phytotoxisch wirken. 
  • Reduzierte Pflanzen­nähr­stoffe und Ionen wirken sich negativ auf die Wurzeln aus. 

Folgen für Wurzel­systeme und pflanzlichen Stress 

Apropos Wurzeln. Auch die Wurzeln leiden unter Sauer­stoff­mangel z.B. durch zu nasse Bedingungen. Im Extremfall kommt die Wurzel­neubildung gänzlich zum Erliegen. Hinzu kommt, dass bereits unter feuchten bis nassen Bedingungen (“kein Suchen nach Wasser notwendig”) die Wurzel­neubildung abnimmt, da kein ausgeprägtes tief­reichendes Wurzel­system benötigt wird. 

Unter staunassen Bedingungen wird zudem der Luft­sauer­stoff aus den Grob­poren durch Wasser mit deutlich geringerer O2-Konzentration verdrängt. Die Diffusion von Sauer­stoff zum Wurzel­system wird dann zum limitierenden Faktor und das Pflanzen­wachstum stagniert.  

All diese Faktoren haben einen direkten Einfluss auf die Entwicklung von Kulturen, verursachen zudem aber auch massiven Stress im Organismus der Pflanzen. Doch was genau passiert unter diesen Stress­bedingungen in der Pflanze? 

Der Sauer­stoff­mangel wird in der Pflanze durch spezielle Eiweiße wahrgenommen und es werden überlebens­notwendige Zell­reaktionen ausgelöst:  

  • Umstellung auf anaerobe Zell­atmung. ATP wird dabei für eine kurze Zeit ohne Sauer­stoff produziert; jedoch entstehen nur 2 Moleküle anstelle von 38 unter aeroben Bedingungen. 
  • Erhöhte Ethanol­produktion. Dadurch wird die Glukose verstärkt, um die Wurzel­architektur (zusätzliche Wurzel­haare zur Sauer­stoff­aufnahme) anzupassen. 

Außerdem wird unter Stress­bedingungen vermehrt Ethylen gebildet, ein Pflanzen­hormon, das physiologische Prozesse wie Keimung, Zell­streckung und Frucht­reife reguliert. Ein erhöhter Ethylen­gehalt fördert demnach die Abreife, d.h. die Pflanze will schneller zum Ende kommen und retten was da ist. Sie wird schließlich notreif oder stirbt ab.

Was bedeutet das jetzt für unserer Ackerkulturen? 

Verschiedene Kulturen können mit Sauer­stoff­mangel und hohen CO2-Gehalten im Boden unterschiedlich gut umgehen. Die Spezialisten sind im Moor und an Gewässern angesiedelt. Sie können auch bei geringem Sauerstoff­gehalt noch ausreichend Nähr­stoffe (v.a. Stickstoff) aufnehmen. Winter­gerste reagiert dagegen stark auf Stau­nässe mit Gelb­färbung im Herbst und Winter. Weizen und auch Raps vertragen z.B. mit höheren CO2-Konzentrationen vergleichs­weise besser. 

 

Quellen: 

https://mediatum.ub.tum.de/doc/603669/603669.pdf 
https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/hypoxie  
https://www.agrarheute.com/pflanze/pflanzen-ersticken-diese-schaeden-verursacht-staunaesse-aeckern-615028 
https://www.mpg.de/4982054/pflanzen-sauerstoff 
Bodenluft - Definition, Zusammensetzung, Kapazität - Geographie (geohilfe.de) 
https://www.hans-chem.com/de/die-vorteile-und-bedeutung-von-sauerstoff-fur-die-pflanzenproduktivitat/ 
https://mediatum.ub.tum.de/doc/603669/603669.pdf 
https://osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de:gbv:700-2015021613074/1/thesis_hotopp.pdf  
https://hypersoil.uni-muenster.de/0/03/05.htm    
https://ooe.lko.at/bodenfruchtbarkeit-teil-3-st%C3%B6rungen-der-bodenfruchtbarkeit+2400+3554782